Een interview met Werner Götz, een Duitse drogisterij-gigant die voorstander is van een onvoorwaardelijk basisinkomen.
Drogerie-Gründer Götz Werner macht sich für ein Grundeinkommen für alle stark. Im Interview spricht er über Hartz IV und die Menschenrechte, Faulheit als Krankheit und das magere Erbe für seine sieben Kinder.
Herr Werner, sind Sie Träumer, Visionär oder Revolutionär?
Ein guter Unternehmer ist alles drei.
Reich wurden Sie mit Ihren dm-Drogerien, bekannt als Prediger für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Die Idee verbreitet sich epidemisch. Wenn ich wollte, könnte ich jeden Tag irgendwo zu dem Thema sprechen.
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Ihr erstes Buch provozierte großes Aufsehen, jetzt legen Sie nach und verlangen 1000 Euro vom Staat für jeden, vom Baby bis zum Greis.
Die 1000 Euro im Monat sind eine Größenordnung, um menschenwürdig in der Gesellschaft leben zu können – eine Art soziale Flatrate, das würde die Sozialbürokratie dramatisch entlasten.
Alle anderen Sozialleistungen, Kindergeld, Rente et cetera würden im Gegenzug gestrichen?
Zum Thema
Nein, die 1000 Euro sind die Basis. Hat jemand höhere Ansprüche, etwa durch die Rente, kriegt er die Differenz obendrauf. Die 1000 Euro gibt’s in jedem Fall.
Erster Einwand: Wer soll das bezahlen?
Das ist eine verfängliche, aber irrige Frage.
Mit Verlaub: 1000 Euro pro Kopf und Monat, das sind bei 82 Millionen Deutschen etwa eine Billion Euro. Woher soll das Geld kommen?
Das Finanzierungsproblem stellt sich nicht. Wir alle leben nicht vom Geld, sondern von Gütern. Die richtige Frage lautet daher: Ist die Gesellschaft in der Lage, so viele Güter und Dienstleistungen zustande zu bringen, dass 82 Millionen Menschen in der Größenordnung von mindestens 1000 Euro davon leben können. Da ist die Antwort – bei einem Bruttosozialprodukt von 2500 Milliarden und Konsumausgaben von 1800 Milliarden Euro – eindeutig ja.
Das heißt: Der Staat nimmt sich die Hälfte und verteilt es gleichmäßig auf Köpfe um.
Der Begriff Verteilung ist unpassend und zudem sozialistisch kontaminiert. Ich rede davon, dass den Menschen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gewährt wird. Wer den nicht hat, der verhungert oder wird kriminell. Von alters her, schon bei den Römern, brauchte der Mensch eine Lebensgrundlage. Was früher eigener Grund und Boden war, ist heute das Grundeinkommen; das Äquivalent zum freien Mann auf freier Scholle.
Ihre Widersacher führen dagegen Apostel Paulus ins Feld: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
Der Bibelspruch wird missbraucht. Paulus meinte: Wer sein Stück Grund und Boden nicht bearbeitet, soll nicht essen. Die Zeit der Selbstversorgung aber ist vorbei. Übertragen auf heute müsste es heißen: Wenn du dein Grundeinkommen nicht ausgibst, wirst du verhungern.
Die Arbeit auf der Scholle erforderte Muskelkraft und Schweiß, das Grundeinkommen verlangt gar nichts – man muss nur zum nächsten Discounter laufen und konsumieren.
Richtig.
Das ist ungerecht.
Warum?
Weil dann jemand anderes arbeiten muss, damit Brot und Wurst in den Supermarkt kommen.
In der Realität arbeiten wir schon heute nie für uns selbst, sondern für andere – das ist die Konsumgesellschaft. Ihr Argument unterstellt, dass, wer ein Grundeinkommen erhält, nicht mehr arbeitet.
Genau. Das ist der zweite gewichtige Einwand gegen Ihre Idee.
Auch dieses Argument ist wenig überprüft, wie ein Blick in die Steuerstatistik beweist: Hunderttausende Bürger haben so viel Einkommen aus Vermietung, Verpachtung, Kapital, dass sie nicht arbeiten müssten – sie tun es trotzdem, die sind bienenfleißig. Ist das nicht Empirie genug? Wer Augen hat, der sehe, wer Ohren hat, der höre, kann ich da nur sagen. Trotzdem begegnet mir dieser Einwand immer wieder.
Weil Lehrer und Sozialarbeiter aus Hartz-IV-Milieus berichten, wo Menschen mühsam beigebracht werden muss, morgens aufzustehen und an Arbeit auch nur zu denken.
Das wäre bei Ihnen und bei mir doch nicht anders, wenn man uns triezen würde, etwas zu tun, was wir nicht wollen.
Dank der 1000 Euro vom Staat macht jeder nur noch, worauf er Lust hat?
Ja. „Freiheit ist: nicht tun zu müssen, was man soll“ – dieser Satz Rousseaus wird zur neuen Regel. Das eigentlich Revolutionäre besteht im Wandel des gesellschaftliche Klimas: Mit 1000 Euro im Monat ist der Mensch von niemandem mehr abhängig, nicht von Familie, Kunde oder Arbeitgeber. Wer die Arbeit nur macht, weil er das Geld braucht, findet jeden Morgen fünf Gründe, nicht aufzustehen. Die habe ich auch, nur fällt mir noch ein sechstes Argument ein, warum ich trotzdem aufstehe: Das ist notwendig, was ich heute mache, das ist sinnvoll für die Welt, das will ich.
Nicht jeder hat so hehre Ziele.
Die sind gar nicht nötig. Die Menschen können skurrile Motive haben, und sei es nur, zu den 1000 Euro etwas dazuzuverdienen, um sich eines Tages den Ferrari leisten zu können. Aber stellen Sie sich dieses erhabene Gefühl vor: Sie laufen durch die Straßen und sehen nur Menschen, die etwas tun, weil sie das aus eigenen Stücken wollen.
Trotzdem: Mit Ihrem Modell wird das Land zum großen Volksheim, der Staat sorgt für alle, niemand muss mehr etwas leisten.
Nein, im Gegenteil: Gerade durch das Grundeinkommen entsteht Leistungsvermögen. Wenn ich mir keine Sorgen um meine Existenz machen muss, kann ich mich an neue Ideen wagen. Wir beide könnten sagen: Wir versuchen uns als Musiker oder als IT-Start-up, das Grundeinkommen gibt uns die Freiheit, das auszuprobieren. So schaffen wir viel mehr Risikobereitschaft, viel mehr Unternehmertum.
Sie beschwören die kreativen Kräfte, die ein Grundeinkommen freisetzt: Glauben Sie wirklich, aus den Deutschen wird ein Volk von Hölderlins, die Lyrik fabrizieren?
Wenn der Weltmarkt für Gedichte so groß ist, könnten wir auch davon in Saus und Braus leben. Wenn der Weltmarkt für IT-Innovationen wächst, wird das zur Grundlage.
Im Moment sieht es so aus, als zahle die Welt eher für deutsche Autos und Maschinen.
Auch die S-Klasse muss mit viel Kreativität geschaffen werden.
Was aber wird aus den dreckigen und langweiligen Jobs? Bleibt diese Arbeit liegen, wenn jeder Träumen hinterherjagt?
Eine Gesellschaft hat immer drei Möglichkeiten, wenn sie will, dass Leistung generiert wird: Entweder Sie gestalten den Arbeitsplatz so, dass er attraktiv wird…
Sie zahlen höhere Löhne.
Ja, oder Sie automatisieren. Wenn beides nicht klappt, bleibt nur eines: die Arbeit selbst zu machen. Wenn Sie Menschen zu Arbeiten zwingen, werden sie die Sache nicht gut machen.
Sie gehen von einem hoffnungsvollen Menschenbild aus: Jeder hat eine Idee, in der er sich verwirklichen will.
Ja, unbedingt. Der Mensch hat immer die Tendenz, über sich hinauswachsen zu wollen. Diese Initiativkräfte wecken wir mit dem Grundeinkommen.
Was machen wir mit Leuten, die nicht mehr wollen als vor dem Fernseher die Füße hochlegen?
Diese Menschen brauchen Sozialarbeit. Wer nichts mit sich anzufangen weiß, der ist krank.
>Und von Sozialpädagogen zu heilen?
Zumindest zu behandeln. Psychisch Kranke sind hilfsbedürftig wie Menschen, die nach einem Unfall querschnittgelähmt sind. Sie fallen auch der Fürsorge der Gemeinschaft anheim.
Es ist doch ein Unterschied, ob jemand krank und arbeitsunfähig ist oder schlicht faul.
Faulheit ist auch eine Krankheit. Selbst wenn nicht: Niemand kann einfach sagen: Der soll verhungern, weil er faul ist.
Das wird im deutschen Sozialstaat nicht passieren. Auch wenn Sie Hartz IV als „offenen Vollzug“kritisiert haben.
Dazu stehe ich. Es ist offensichtlich: Der Hartz-IV-Empfänger verliert einen Teil der Menschenrechte.
Sie übertreiben.
Nein, Hartz IV verstößt gegen mehrere Artikel im Grundgesetz: Zwangsarbeit ist verboten, die freie Berufswahl garantiert, ebenso Niederlassungs- und Wohnungsfreiheit, diese Rechte schränkt Hartz IV ein, wie im offenen Strafvollzug eben. Zudem wird immer verschwiegen, dass der Hartz-IV-Empfänger weniger Transferzahlungen erhält als ein Mitglied der Mittel- und Oberschicht: Wenn Sie zweimal im Monat mit Ihrer Frau in die hochsubventionierte Oper gehen, erhalten Sie von der Gemeinschaft höhere Transferleistungen als die meisten Hartz-IV-Empfänger. Nachdem das Verfassungsgericht anerkannt hat, dass die Regelsätze ein menschenwürdiges Leben ermöglichen müssen, ist es nur noch ein kleiner Schritt in Richtung Grundeinkommen.
Wo sehen Sie Mitstreiter in der Politik für Ihre Idee?
Das ist für mich keine Fragestellung. Die Politiker orientieren sich an dem Wind, der aus der Gesellschaft weht – diesen Impuls zu stärken, dafür arbeite ich. Wenn wir das Denken ändern, dann wird die Politik reagieren. Es gilt der Ausspruch von Victor Hugo: nichts ist so stark wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“
Im Moment stehen Superreiche hoch im Kurs, die ihr Vermögen stiften und damit die Welt verbessern.
So ganz verstehe ich den Rummel darum nicht, das ist alter amerikanischer Lebensstil. Reich zu werden ist in Amerika keine Schande, reich zu sterben schon. Hier in Deutschland ist es gerade umgekehrt: Der Reiche muss sich zu Lebzeiten für sein Vermögen rechtfertigen. Hinterlässt er aber den Nachkommen nichts, ist es eine Schande.
Wie denken Sie in der Frage: eher deutsch oder amerikanisch?
Amerikanisch.
Ihre sieben Kinder haben zu leiden, weil Sie nichts vererben?
Meine Kinder leiden deswegen nicht, im Gegenteil, die werden gefördert, indem sie sich selbst beweisen müssen. Meine Unternehmensanteile habe ich in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. Kinder haben einen Anspruch auf einen guten Start ins Leben, aber nicht darauf, dass Eltern für den lebenslangen Wohlstand ihrer Nachkommen sorgen. Da halte ich es ganz mit dem amerikanischen Pioniergeist: Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen kann jede Generation zeigen, was sie kann.
Götz Werner, 1944 geboren, eröffnet 1973 in Karlsruhe seinen ersten dm-Drogeriemarkt. Daraus wird ein Konzern mit 34.000 Mitarbeitern, 2200 Filialen und 5,2 Milliarden Euro Umsatz.
Der Gründer hat die Geschäftsführung abgegeben und sitzt heute im dm-Aufsichtsrat. Außerdem kämpft er für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
In diesen Tagen erscheint sein neues Buch (verfasst mit Adrienne Goehler): „1000 Euro für jeden. Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen“, Econ.